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Mit dem VW-Bus nach Wien
Mein Chef war der Meinung, ich sollte mich mal ein wenig entspannen. Mal keinen großen LKW fahren. Keine komplizierten Grenzabfertigungen. Nein, diesmal nur einen VW-Bus und als Ladung nur eine Kiste. Kein Termin im Nacken, nur ein kleines Zollpapier, einfach gemütlich nach Wien und dann gemütlich zurück. Eine echte Spazierfahrt. Im Normalfall eine drei Tagetour. Das hörte sich einfach gut an.
Also, den Bus betankt und los ging die Reise. Das war mal eine schöne Abwechselung. Mit dem Bus kam ich natürlich viel schneller voran als mit einem LKW und so konnte ich am ersten Tag bis fast an die österreichische Grenze fahren. Es gab keinen Grund Überstunden zu machen. Also, machte ich pünktlich um 16:00 Uhr Feierabend.
Ich fuhr wie immer, wenn ich mir eine Unterkunft suchte, von der Autobahn ab. In Simbach, einer verträumten Ortschaft in Bayern, so ungefähr 50 km vor der österreichischen Grenze, fand ich ein gediegenes kleines Hotel. Ich freute mich auf das Essen, was in der Regel in Bayern immer Klasse war. Dazu ein schönes Bier.
Der Wirt war ein netter Kerl und weil er an diesem Abend nicht viel zutun hatte, unterhielt er sich mit mir. Ich erzählte ihm, das ich am nächsten Morgen nach Wien fahre und ich deshalb sehr früh los wollte. Er meinte, das wäre kein Problem, ich wäre der einzige Gast. So verabredeten wir, das ich um 7 Uhr zum Frühstück in der Gaststube sitzen würde.
Nun ja, so war es geplant. Aber es geschehen manchmal Dinge, von denen man vorher keinen blassen Schimmer hat. Am nächsten Morgen, pünktlich um kurz vor 7 Uhr, packte ich meine Sachen in die Reisetasche und machte mich auf den Weg in die Gaststube. Weit kam ich nicht. Denn auf dem Flur war es stockdunkel. Kein einiges Licht brannte. Es war richtig unheimlich, diese Dunkelheit. Nach kurzen überlegen fing ich an, mich zu der Treppe zu tasten. Ich wusste, das direkt unten an der Treppe ein Lichtschalter war (warum habe ich mir nicht gemerkt, wo der Schalter hier oben war?). Auf dem Weg nach unten, in totaler Dunkelheit, fiel mir auf, es war auch totenstill im Haus. Sehr ungewöhnlich, dachte ich mir. Sollten nicht wenigstens ein paar typische Geräusche aus der Küche kommen?
Am Ende der Treppe angelangt, tastete ich an der Wand und fand den blöden Lichtschalter. Ich drückte ihn, und es wurde hell im Treppenhaus.
Doch was ich dann zu sehen bekam, lies mir doch den Atem zu stocken. Keine 3 m vor mir stand ein Hund. Ein sehr großer Hund. Ein Schäferhund. Ein mächtiges Tier. Er schien förmlich auf mich gewartet zu haben. Und nun, als wir uns in die Augen sahen, fing er ziemlich böse an zu knurren und zeigte mir seine mächtig großen Zähne. Nachdem mir vor lauter Schreck meine Tasche aus der Hand geglitten war, nahm ich irgendwie eine stramme Haltung an. So standen wir uns gegenüber und die Minuten vergingen. Bei jeder Bewegung von mir kam ein knurren von ihm. Also behielt ich meine starre Haltung mehr oder weniger bei.
Zuerst ganz leise und dann ein wenig lauter fing ich an zu rufen. „Hallo“. „HALLO“. Es war schon eine komische Situation. Der Hund saß da und beobachtete mich und knurrte, wenn ich mich bewegte. Und ich machte mir vor Angst fast in die Hose.
Nach einer Zeit, die mir wie eine Stunde vorkam und mehrfachem rufen nach Hilfe, kam endlich Bewegung ins Treppenhaus. Ich hörte endlich eine Stimme im ersten Stock. Sie brummelte auf bayrisch: „Ach du lieber Johannes. Jetzt habe ich doch glatt meinen einzigen Gast vergessen“. Na ja, zumindestens habe ich es so verstanden.
Als der Wirt herunterkam und sich bei mir tausendmal entschuldigte, bemerkte ich, das der Gesichtsausdruck des Hundes echt ein freundliches Aussehen bekam. Der Wirt streichelte den Hund und meinte nur: „ias schoa guat, un nu schleich di“. Ich wischte mir den Angstschweiß von der Stirn und mein Blutdruck sank auch wieder auf normal.
Beim Frühstück, welches mir der Wirt ausgegeben hat, für die Umstände, meinte er, fragte ich ihn, warum der Hund nur geknurrt und nicht gebissen hat. Da erzählte er mir, das er so ausgebildet ist, einen vermeintlichen Dieb zwar rein zu lassen, aber nicht mehr raus zu lassen. Und gebissen hätte er nur, wenn ich versucht hätte zu flüchten. Na Super.
Ich für meinen Teil würde noch sehr lange an diese Begegnung denken. Man gut, das das keiner mitbekommen hat. Ich muss ausgesehen haben wie ein echter Depp.
Nun gut. Vor mir lagen satte 350 Km bis nach Wien. Also fuhr ich los. Da wusste ich noch nicht, das dieser Tag noch sehr lang werden würde.
Da ich ein einfaches Zollpapier hatte, dauerte die Abfertigung an der Grenze auch nicht lange. Das Wetter war Super. Nicht ein Stau.
Es machte richtig Spaß, das Fahren und es war noch nicht mal Mittag, als vor mir Wien in seiner ganzen Schönheit auftauchte. Einmal quer durch die Stadt, über die Donau bis hin zum Ziel. Das Ausladen dauerte keine 10 Minuten und schon war ich wieder auf dem Rückweg. Und dieses mal keine Abfertigung an der Grenze. Einfach die Leerspur und durch.
Bei strahlendem Wetter eine kleine Stadtrundfahrt durch Wien. In welchem Job bekommt man das schon geboten. In solchen Situationen liebte ich meinen Job besonders.
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Von mir geplant war, das ich in Passau über die Grenze fahre und dann in der Nähe von Regensburg übernachte. Da gab es nämlich ein Superklasse Hotel. Mit eigener Brauerei und das Essen, einfach Spitze. Ich kannte es noch von einer anderen Fahrt und solche Adressen merkte man sich.
Der Bus lief superschnell und ich kam schon gegen 15:00 Uhr dort an.
Doch was für eine Enttäuschung. Ein großes Schild an der Tür verkündete mir: „Wegen Renovierung geschlossen“. Also, weiter und ein neues Hotel suchen. Es war ja noch früh. Nach kurzem Blick auf die Landkarte entschloss ich mich querbeet über die Landstrassen nach Allersberg in der Nähe von Nürnberg zu fahren. Dort war eine Pension, die wir Fahrer als Stammübernachtung benutzten, wenn wir auf Süden fuhren. Sehr familiär und der alte Odorfer, so hieß der Wirt, war immer lustig drauf.
Doch auch hier hing ein Schild: „Wir machen Urlaub“. Das durfte doch nicht war sein. Sollte ich denn keinen Feierabend bekommen? Mittlerweile war es schon fast 17 Uhr und ich hatte schon ungefähr 800 Km unter den Reifen gehabt. Ich machte mich auf den Weg zum nächsten Hotel. Noch mal 15 Km.
Als die Autobahnauffahrt in Sicht kam, kam bei mir die Idee, direkt nach Hause, nach Hannover durch zu fahren. Wahnwitzig. Aber wenn keine größeren Staus unterwegs sind und das Wetter mitspielen würde, dann wäre ich gegen 22 Uhr wieder zu Hause. Ich könnte in meinem eigenen Bett schlafen. Ein verlockender Gedanke.
Irgendwie fuhr der Bus wie von alleine auf die Bahn Richtung Hannover. Ich drückte das Gaspedal durch und ließ die Kiste laufen. Das würde ein neuer Tageskilometerrekord werden, dachte ich noch bei mir. Die Kilometer fraßen sich nur so dahin. Kein Stau, kein Regen. Die Rhön, Fulda, Kirchheim und dann schon Göttingen. Abgesehen von ein paar kleinen Kaffee- und Pinkelpausen rutschte ich tatsächlich in einem Stück bis nach Hannover durch.
Es war fast 22 Uhr, als ich bei mir zu Hause vorfuhr. Ich war wie durch einen Fleischwolf gedreht, meine Hände zitterten noch eine Stunde später, aber ich war zu Hause.
Den Bus stellte ich bei mir auf den Hof, wo ihn keiner sah. Denn eigentlich war ich ja noch in Bayern. Hihi.
So hatte ich den ganzen nächsten Tag Zeit, um zu Hause mal richtig sauber zu machen. Kurz vor Feierabend fuhr in dann in die Firma.
Wenn das mein Chef rausbekommen hätte. Hat er aber nicht. Denn ein VW-Bus hat keinen Tachoschreiber. Hihi.
Es waren 1400 Km an diesem Tag zusammen gekommen. Auf der einen Seite war ich so was wie stolz drauf, auf der anderen Seite der blanke Wahnsinn. Noch mal würde ich einen solchen Ritt nicht machen.
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